Im nordschwedischen Kiruna-Gebiet wurden dem Bergbauunternehmen LKAB zufolge große Vorkommen an Seltenen Erden gefunden. Mit einem steigenden Bedarf und einer zunehmenden Dominanz Chinas birgt die Frage der Rohstoffsicherheit nicht nur eine industriepolitische, sondern auch eine geopolitische Dimension.
Mit dem Krieg in der Ukraine und der strengen Covid-Politik Chinas sind die Fragen nach der Ressourcenabhängigkeit und der Stabilität von Lieferketten für die Europäische Union in den Vordergrund gerückt. Europa steht als globale Wirtschaftsmacht mehr denn je unter Druck, den eigenen Anforderungen mit Blick auf die Diversifizierung der Importquellen und der Nachhaltigkeit des Rohstoffabbaus im Ausland gerecht zu werden. Die vornehmliche Debatte über die Energieabhängigkeit der Europäischen Union überschattete bislang die aufkommende Diskussion über die Frage der Abhängigkeit von Seltenen Erden.
Seltene Erden sind zusammen mit einer Reihe weiterer Rohstoffe wie Kobalt und Lithium die elementare Grundlage für die Technologien der Energiewende. Durch den Ausbau von Erneuerbaren Energien und der Elektromobilität steigt die Nachfrage und die weltweite Jahresproduktion seit Jahren stetig an – zwischen 2021 und 2022 sogar um mehr als zehn Prozent. Experten gehen davon aus, dass der europäische Lithiumbedarf bis 2050 um etwa 3.500 bis 4.000% steigen wird und eine ähnliche Entwicklung auch bei Seltenen Erden, die für die Produktion elektrischer Antriebe benötigt werden, zu beobachten sein wird.
Chinesische Dominanz und europäischer Bedarf
Vom Abbau der Rohstoffe über alle nachgeordneten Sektoren der Wertschöpfungskette bis hin zum Endprodukt wird der Markt der Seltenen Erden von chinesischen (Staats-)Unternehmen dominiert. So liegt der chinesische Marktanteil trotz einem leichten Rückgang immer noch bei rund 60 Prozent der weltweiten Produktion. Zugleich ist die Volksrepublik größter Konsument Seltener Erden für die eigene Industrie. Die Risiken einer solchen Abhängigkeit wurden bereits 2019 offenkundig, als China als Reaktion auf US-Strafzölle im US-Chinesischen Handelsstreit damit drohte, die Ausfuhr Seltener Erden zu beschränken. Aus gutem Grund stufen die Vereinigten Staaten und die EU Seltene Erden seit mehr als zehn Jahren als sogenannte kritische bzw. strategische Rohstoffe ein. Das heißt, dass diese Rohstoffe gleichermaßen eine hohe wirtschaftliche Bedeutung und ein hohes Versorgungsrisiko haben. Insbesondere für die deutsche Industrie, die über 80 % der chemischen Elemente des Periodensystems benötigt, ist eine gesicherte Rohstoffversorgung die Basis für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Es ist daher unerlässlich, das chinesische Monopol, die damit verbundenen Versorgungsrisiken sowie potenzielle alternative Quellen stärker als bisher in den Blick zu nehmen.
Schweden könnte wichtigstes europäisches Förderland werden
Die Bekanntgabe des schwedischen Bergbauunternehmen LKAB (Luossavaara-Kiirunavaara Aktiebolag) rund eine Million Tonnen Mineralressourcen von Seltenerdoxiden in der Lagerstätte Per Geijer im Kiruna-Gebiet – in direkter Nachbarschaft von Europas größtem Eisenerzbergwerk – ist nicht nur aus geologischer, sondern auch aus geopolitischer Sicht eine gute Nachricht. Mit über 500 Millionen Tonnen ausgewiesener Ressourcen an Eisenerz, welches etwa 50 Gewichtsprozent Eisen, fünf Gewichtsprozent Phosphat und – eng mit dem Phosphat verbunden – ungefähr 0,2 Gewichtsprozent Seltene Erden beinhaltet, besitzt das Gebiet das Potenzial, Europas wichtigste Förderstätte für Seltene Erden zu werden. Die Existenz eines Vorkommens von Seltenen Erden im nordschwedischen Kiruna ist dagegen schon länger bekannt. Jedoch konnte dessen Umfang erst jetzt – im Zuge weiterer Untersuchungen – abgeschätzt werden. Um das gesamte Ausmaß und die Zusammensetzung des Vorkommens zu erforschen, werden umfangreiche Explorationsarbeiten nötig sein. Diese werden laut LKAB zehn bis 15 Jahre in Anspruch nehmen.
Wissenschaftliche Zweifel und naheliegende Alternativen
Dr. Jens Gutzmer, Leiter des Helmholtz-Instituts für Ressourcentechnologie in Freiberg wendet hingegen ein, dass die Konzentration von Seltenen Erden in der nach dem Geologen Per Gejjer benannten Lagerstätte im Gegensatz zu typischen Lagerstätten sehr gering ist. Vergleichbare Lagerstätten, in denen heute schon produziert wird, weisen weit über ein Gewichtsprozent und damit mindestens das Fünffache an Seltenen Erden pro Tonne Erz auf. Auch wurden bisherige Funde, wie im sächsischen Delitzsch, aufgrund der Unwirtschaftlichkeit einer Förderung verworfen. Im Falle von Kiruna dürfte dieser Aspekt jedoch in den Hintergrund treten, da der Erzkörper vornehmlich aufgrund seines Eisengehalts abgebaut werden wird. Seltene Erden und das Phosphat würden damit als Beiprodukte gewonnen und bei der Verarbeitung des Eisenerzes ausgeschleust und raffiniert werden können. Nach Einschätzungen von LKAB reicht das gemeldete Vorkommen von Seltenerdoxiden um einen großen Teil des künftigen EU-Bedarfs für die Herstellung von Dauermagneten zu decken, die unter anderem in Elektromotoren und Generatoren stecken.
Da bis zur Förderung noch mindestens ein Jahrzehnt vergehen wird, empfiehlt es sich nach Jens Gutzmer, auf die bestehende Infrastruktur im benachbarten Bergwerk Kiruna zu setzen. Denn die vielen, in diesem Bergwerk abgebauten Millionen Tonnen Eisenerz seien sehr ähnlich, wie jene aus der Lagerstätte Per Geijer. Auch diese würden Seltene Erd-führende Phosphate enthalten. Diese werden im aktuellen Verfahren jedoch nicht abgetrennt und verwertet. Mit der richtigen Technologie könnten schon jetzt aus den anfallenden Rückständen Seltene Erden und Phosphat gewonnen werden. Wäre dies möglich, so Gutzmer, könnte dies schon im nächsten Jahr einen Unterschied hinsichtlich der Versorgung Europas mit Seltenen Erden machen.
Unsere Analyse – Heimische Förderung nur ein Baustein der Rohstoffversorgung
Die Erschließung einer Lagerstätte mit Seltenen Erden in Schweden würde zweifellos einen Beitrag zur Diversifizierung der Rohstoffversorgung Europas beitragen. Auch die deutsche Industrie würde mit ihrem derzeit hohen Abhängigkeitsgrad zum chinesischen Markt profitieren. Gleichzeitig kann die heimische Förderung Seltener Erden nur einen Baustein in der Rohstoffsicherung sein. Neben den bereits bestehenden Rohstoffpartnerschaften sollten Deutschland und die Europäische Union alles daransetzen, neue Kooperationen einzugehen, die die Versorgung sicherstellen, aber auch den globalen Rohstoffmarkt in ein Gleichgewicht bringen. Fernerhin können auf diese Weise Umwelt- und Sozialstandards in den globalen Lieferketten verankert und – im Sinne einer erweiterten Entwicklungszusammenarbeit – die regionale Wertschöpfung gestärkt werden.
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